Varius Artists - Infant Munich hits Rock Bottom
Ein Compilation-Album, Familienalbum und Spektakel. Compilation-Album: Die Idee stand im Raum als Nick McCarthy und Federico Sánchez alias Piko Be im Spätsommer 2009 in einer Münchener Dachkammer aktuelle Musik aus dem gemeinsamen Freundeskreis hörten. Die Bilanz: Alle Kollegen befinden sich auf dem Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens, alle Kollegen haben Gold für ein neues Album geschürt, alle Kollegen warten nur auf das richtige Licht, das so viel Karat zum Funkeln bringt. Verblüffend wie wunderbar sich die Songs quer hören liessen und zu einem gemeinsamen Ganzen zu fügen schienen! Familienalbum: Alle Beteiligten Bands und Solisten haben mindestens eine Sache gemeinsam: Kamerakino. Sei es in der Vergangenheit (Box Codax, Dizzy Errol) oder in der Gegenwart (Parasyte Woman, Pollyester). Doch viel zu eigenständig ist jeder einzeln hier vertretene Artist um als Nebenprojekt gehandelt zu werden. Wie in einem Rhizom gibt es personelle Überschneidungen quer durch die Bank dieser Bands. Vielleicht ist Kamerakino für diese Münchener Gruppe nur das, was etwa The Notwist für die Weilheimer war und immer noch ist. Ein Mutterschiff. Spektakel: Erst bei Fertigstellung dieser Hitsammlung (der Titel zu deutsch etwa: "Das Münchener Kindl am Boden zerstört") fiel auf: das Mutterschiff feiert Geburtstag, und zwar nicht irgendeinen sondern 10 Jahre KK, Halleluja! Gemeinsam werden alle ab Herbst 2010 auf Konzertreise gehen. Sprachlos über so viel Glück liefern die Macher, ein Label-Jointventure aus Echokammer, YRUSMTSIM und Piko's Yodelin' Records, ihr warmes Ei ab und überlassen dem Kreuzberger Künstler Hank Schmidt in der Beek das Wort: "Dödödödö dödö dödödödö, dödö dödödödö dö dö dö dö: Auf die nächsten 10! Dass wir in finsteren Zeiten leben ist leider klar, und dass sich das nicht ändern wird, auch. ABER: Zu allen Zeiten gibt es immer einen Wind, der Land in Sicht an Dein Ohr singt und auch immer welche, die den harten Job übernehmen, sich darum zu kümmern, dass das nicht wieder nur leere Versprechungen bleiben. Am 2. Januar 2000 nahm in München die Band Kamerakino diesen Job in die Hand, und zehn Jahre später kann gesagt werden, dass den alle seither Beteiligten nicht nur gut, sondern verdammt gut machen. Ohnmächtig eine passende Schublade zu finden wurde Kamerakinos Musik mal als New Romantic Wavepop, mal als Krautbeat, mindestens aber als Beat bezeichnet. Ich schließe mich diesen waghalsigen Begriffsfindungen nicht an, sondern gebe mich gerne meiner Ohnmacht hin. Vielleicht, lieber Leser, kennst und schätzt Du die Band ja bereits, ich weiß das ja nicht, vielleicht warst Du '09 auch kurz nach Weihnachten im Münchener Substanz und hast, -wie wir alle es nicht anders vermochten, ausgenommen den ganz Hartgesottenen- mit hoch erhobenen Fingern und glasigen Augen lauthals den Refrain des Phoney Calls mitgesungen: Dödödödö dödö dödödödö, dödö dödödödö dö dö dö dö! Dödödödö dödö dödödödö, dödö dödödödö dö dö dö dö! (Die meisten von uns kommen längst ohne die verteilten Singalong-Textblätter aus.) Aber was hat das denn alles mit der hier vorgestellten Doppel-LP INFANT MUNICH HITS ROCK BOTTOM zu tun, außer dass der Phoney Call eines der 23 Highlights der Platte ist? Eine Menge: Denn wenn es herzlich „Happy Birthday, Kamerakino“ heißt, dann feiert hier natürlich nicht nur die Band als solche, sondern ebenso gut jeder einzelne der hier seine Finger drinhat oder wegweisend mal drin gehabt hat. Wie gut dass da jeder gerade sein eigenes Musik-Album fertig hat, so viel Synergie gab es selten! POLLYESTER drehen an der Uhr, gehen zum Nachsitzen zu Beuys oder ins Indianer-Wigwam, PARASYTE WOMAN haben dieses Jahr ihr großes Coming Out, keine Frage, das ist Weltmusik, denn diese Musik kann man überall auf der Welt hören und klasse finden. Nicht anders wird es der Aquariumsmusik von DAS WEISSE PFERD ergehen - "San Fernando" überall, als homeless information abhörbar. Und Erol, DIZZY ERROL, der einzige türkische Beatnik Deutschlands, wo warst Du denn all die Jahre? Gut dass Du zurück bist und Dein Debut-Album "Motherlamp" mitgebracht hast. Und weiter: Ex-Bassist Nick McCarthy (bekannt vom Kamerakino-Sideproject Franz Ferdinand) mitten drin (ALBERT, EROL, PIKO & NICK und BOX CODAX, das Album kommt im Herbst auf Gomma). Und immer wieder die Finger im Spiel: Albert Pöschl, der Mann der aus der Echokammer kam und auch "Munich Me Mata" produzierte. Also alle da, und zwar Kraft ihres Vermögens, und ich kann Dir sagen, dass das in jedem Einzelfall ein riesengroßes ist. Und allesamt machen sie INFANT MUNICH HITS ROCK BOTTOM zu einem erstens wunderschönen und zweitens genialen (wirklich!) Kindergeburtstag eines Münchens das sich mit all seinen musikalischen Mitteln gewissenhaft gegen den finsteren erwachsenen Rest der Welt und Rest dieser bayerischen Weltstadt stemmt. Munich Infants, außer „I love you“ sag ich hier nichts mehr. Euer Hank Schmidt in der Beek"