Rumpeln - Noise means Noise
Für diejenigen, die mit diesem Album erstmals eine Scheibe von Rumpeln auf den Tisch bekommen, hier eine vertrauliche Handreichung aus den Insiderkreisen der Noise-Nische: Rumpeln ist wohl einer der prominentesten Noise-Acts Deutschlands, und Süddeutschlands sowieso. Doch sind die Kategorien „prominent“ und „Deutschland“ sicher Teil von dem, wogegen sich der „parolenlose Protest“ – so hat Anton Kaun sein Verständnis von Noise mal beschrieben – von Rumpeln richtet. „No Nation but Noise“, wie das mal auf einem Aufkleber eines seiner Labels hieß. Also lassen wir das. Stattdessen gilt: „Noise Means Noise“. Hier nicht „No means No“ mitzulesen, ist schon typografisch fast unmöglich, und als Negation ist es ja auch gemeint, als Nein zu allen Bedeutungen, die jenseits des Rauschens liegen könnten. So wie ein vollkommen schwarzes Gemälde alle Farbe negiert und nichts darstellt als sich selbst: Noise als akustische Negation von allem, als Lärm-Schutzwand zur Abwehr der – klanglichen und sonstigen – Zumutungen der Realität, von Helene Fischer bis zum Signalton der nervigen Messenger-App. Nun hören diese Zumutungen ja nie auf, weshalb Noise eigentlich am laufenden Band produziert werden muss – wie Rumpeln es ja auch tut. Und da gibt es ja auch immer was zu tun – Noise ist nie fertig. Denn der „reine“ Krach ist eine schöne Utopie, die aber nie erreicht wird. Während der Musiker sich kurz in dem (natürlich irrigen!) Gefühl gefallen kann, er habe „etwas Bleibendes“ geschaffen, muss der Noiser mit jeder Performance, jeder Kassette, jeder Platte einen neuen Anlauf zur Auslöschung des Konsens-Klangs nehmen: Scheitern als Chance. Zumindest als Chance auf noch mehr Noise. Noise kann schon deshalb nie „rein“ sein, weil er immer nur im Verhältnis zu einem definierten, normativen Signal – sprachlicher, musikalischer, physikalischer Art – als störendes Geräusch auftreten kann. Gegen den als Parasiten abgestempelten Noise setzen kleine Geister dann Verfahren wie „Noise Cancelling“ ein. Das Genre, das mit dem Noise von Rumpeln sabotiert wird, ist dabei im weitesten Sinne Pop, seine Beats, seine Studiotechnologien (etwa so, wie das Saxofonspiel von Peter Brötzmann Noise im Verhältnis zu Jazz ist). Die schlaueren Leute im Pop – wie etwa Produzentenlegende Tobias Levin, auf dessen Einladung und in dessen Studio diese Platte entstand, oder Albert Pöschl, auf dessen Label Echokammer sie erscheint – haben freilich schon länger begriffen, dass Noise kein Parasit, sondern eher ein Symbiont des Pop-Sounds ist: vom Gitarrenverzerrer bis Autotune ist es schließlich gerade das Unreine, das Verfremdete, das maximal Künstliche und eben auch mal das Kaputte, das Pop-Sound interessant macht (und übrigens auch politisch interessant, weil es die „Ursprünge“ des Sounds verwischt, deterriorialisiert: scheißegal, wo du herkommst, Hauptsache, es klingt geil. „No Nation but Noise“ eben.) Es ist also durchaus konsequent – und äußerst erfreulich! – dass die genannten Herrschaften mit diesem Rumpeln-Album eine Hommage an den Noise aus Sicht des Pop ermöglichen. „Noise means Noise“ ist das klangliche Äquivalent zu einem saftigen Knollenblätterpilz-Eintopf, den Rumpeln – mit hörbarem Spaß an der Sache und absurdem Humor (siehe Titelliste!) – dem allesverzehrenden Moloch des real existierenden Kapitalismus in den Rachen kippt, um ihm zumindest für die Dauer von zwei Plattenseiten das Maul zu stopfen. Wohl bekomm's! Gerald Fiebig (Autor von „Nichts (als) Noise unter der Sonne? - Utopien und Aporien des Noise“)